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Wiederausbreitung der Meerforelle unnötig?

Norddeutschen Salmonidenhegern wird aus Richtung des LOBF Albaum wiederholt "Sea Ranching" und einseitige genetische Zuchtauswahl unterstellt. Verdächtigung auf Verstoß gegen Tierschutzgesetz inklusive! Siehe,, Meer- und Bachforehe des Rheinsystems", LOBF Mitteilungen 1/98, Albaum, Autor: Prof. J. Lehmann, siehe Vortrag "Das Wanderfischprogramm in NRW, Dr. G. Schmidt, gehalten im Oktober 1999 in Göttingen. AFGN-Sprecher Ede Brumund-Rüther nimmt dazu Stellung (AFGN=Arbeitsgemeinschaft Fischarten- und Gewässerschutz Norddeutschland):

Den Artikel "Meer- und Bachforelle des Rheinsystems" hatte ich bereits im Juni 1999 mit Interesse gelesen. Ich musste aber erstaunt feststellen, dass darin die Meer- und Bachforellen des Rheinsystems kaum konkret beschrieben sind, dafür aber ein ausgiebiger Vergleich der Fördermaßnahmen und der populationsgenetischen Verhältnisse im Rheingebiet und in Norddeutschland angestellt wird.
Dagegen wäre überhaupt nichts einzuwenden, wäre dies nicht auf der fragwürdigen Basis von teilweise unrichtigen Behauptungen über Ziele und Praxis der Forellenbestandspflege im Norden geschehen. Außerdem wäre es besser gewesen, wenn Prof. Lehmann in bezug auf die Meerforelle einen Zeitpunkt abgewartet hätte, zu dem im Rheingebiet überhaupt eine nennenswerte Meerforellenpopulation besteht. Hier werden offensichtlich in Norddeutschland existente Populationen mit einer im Rheingebiet immer noch eher seltenen Erscheinung verglichen!
Den norddeutschen Wiedereinbürgerern wird in dem Artikel einseitige Förderung der anadromen Forellenbestände unterstellt. Außerdem behauptet Prof. Lehmann, alle Meerforellen - er scheint über unterschiedliche Rassen und Typen nichts zu wissen - müssten bestimmte Eigenschaften haben, wie z.B. nicht anadrome Männchen u. dgl.
Schließlich stellt er den Gefährdungsstatus der Meerforelle in Frage, weil sie nur eine Rasse der Europäischen Forel
Ie ist. Er behauptet, dass die Meerforelle im Selbstlauf aus der Bachforelle wieder ersteht. Den hohen Gefährdungsstatus im Niedersächsischen Fischereigesetz ignoriert er einfach. Leider verlässt er den Rahmen der elementarsten Solidarität, indem er behauptet, für das "Sea-Ranching" gebe es eigentlich keinen vernünftigen Grund. Dadurch sei das Abstreifen der Laicher usw. ein möglicherweise ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz, sinniert er zum Abschluss.
Angesichts der langjährigen guten Zusammenarbeit zwischen der LOBF Albaum und unserer norddeutschen AFGN bin ich über diese Vorgehensweise doch einigermaßen erstaunt, denn es hätte nur einer Rückfrage bedurft, und der Professor hätte über eine solide Basis von Fakten verfügt, anstatt sich auf das dünne Eis von Spekulationen zu begeben!
Andererseits macht es wenig Sinn, wegen jeder Kleinigkeit
ogleich große Richtigstellungen auf den Weg zu bringen. Deshalb hatte ich mir das zunächst erspart; doch im Skript eines Vortrags über das Wanderfischprogramm von NRW, gehalten von Dr. G. Schmidt im Oktober 1999 in Göttingen bei einem internationalen Symposium namens "Naturschutz und Verhalten" (was immer das sein mag), stieß ich wieder auf die z.T. abenteuerlichen Verdächtigungen und Unterstellungen, diesmal schon in pauschalisierter Form.
Es heißt dort~ In Deutschland ist dieses Problem (der genetischen Verarmung durch Sea-Ranching u.ä., der Verf.) derzeit besonders bei dem von zahlreichen Anglern mit viel Engagement betriebenen Ranching von Meerforellen aktuell. Abgesehen von der bei diesem Fisch ohnehin zu bezweifelnden Notwendigkeit derartiger Hilfsmaßnahmen, wies LEHMANN (1998) auf die dabei häufig zu beobachtende Vernachlässigung populationsgenetischer Erfordernisse, z. B. die Verwendung von zu wenig Männchen, hin."
Auch diese Aussage offenbart eine erstaunliche Unkenntnis der realen Verhältnisse.

1.) Im Niedersächsischen Fischereigesetz ist die Meerforelle als bedrohte Art aufgeführt und mit ganzjährigem Schutz belegt. Gefangen werden darf sie nur, wo Bestandspflege betrieben wird. Die Fischereibehörden, vor allem das Amt für Binnenfischerei im Nieder-sächsischen Landesamt für Ökologie haben die Wiederverbreitung der einheimischen Meerforellen unter populationsgenetischen Aspekten von vornherein gutgeheißen, wissenschaftlich begleitet und beratend gefördert.
Es ist ein schlechter Witz, wenn jetzt aus Richtung NRW plötzlich behauptet wird, die Meerforelle sei überhaupt nicht gefährdet, weil sie ja nur eine Rasse der europäischen Forelle sei. Es wird weiter unten belegt, warum die norddeutsche Meerforellenrasse sich nicht aus der Bachforelle herausmendeln kann und folglich real gefährdet war und sicherlich sehr rasch wieder wäre, würde man die Brutanlagen abschalten.

2.) Auch wenn die Meerforelle keine eigene Art darstellt, sondern nur eine Rasse der Europäischen Forelle (Salmo Trutta), so war sie doch in Niedersachsen vor 1970 extrem selten geworden. Das aber hätte gar nicht der Fall sein können, wenn sie tatsächlich so eng mit der Bachforelle verwandt wäre, wie Prof. Lehmann behauptet, denn Bachforellen gab es die ganze Zeit über in zahlreichen Gewässersystemen nicht selten!
Rasse hin, Verwandtschaft her, man muss lange warten, bis aus Dackeln auf natürlichem Wege wieder Wölfe werden!

3.) Es gibt in der Natur das durchaus nicht seltene Phänomen, dass die stärksten Milchner nacheinander mit mehreren Weibchen laichen, ähnlich wie in einem Wolfsrudel der Leitrüde fast alle Wölfinnen deckt, nicht der halbstarke Jungrüde aus der hinteren Reihe! Auch bei Großsalmoniden gibt es eine ähnliche natürliche genetische Auslese selbstverständlich.
Häufig ist beobachtet worden, dass große Weibchen geradezu unwillig sind, mit schwachen Männchen zu laichen und diese nicht selten sogar selbst verbeißen, wenn stärkere in der Nähe sind. Der Wille, mit nicht anadromen Zwergmännchen zu laichen, besteht höchstens, wenn gleichrangige Männchen fehlen, also eher in schwachen Populationen. Ist ein starkes Männchen zur Stelle, verjagt es sofort die schwächeren Rivalen. Auch suchen sich die stärksten Fische die besten Laichplätze aus. Prof. Lehmann würde sich wundern, wie rangabhängig sich Salmoniden verhalten und paaren, hätte er das gelegentlich beobachtet.
3a.) Da er offenbar den norddeutschen Wiedereinbürgerern beim Abstreifen der Laicher noch nicht über die Schulter gesehen hat, kann er gar nicht wissen, wie viele Männchen und welche für eine bestimmte Anzahl von Weibchen verwendet werden! Man nimmt nämlich pro Weibchen durchweg mindestens zwei, um das Risiko der Sterilität eines Männchens auszuschalten. Außerdem fängt man hoch laichreife Forellen oft schon in unmittelbarer Nähe beineinander und verwendet die Laicher in dieser Kombination. Diese Behauptungen gehen also ins Leere. Es ist aber zu befürchten, dass sie in gewissen öko-fundamentahistischen Naturschützerkreisen, die für derartige Behauptungen stets dankbar sind, große Resonanz finden werden. Das könnte die norddeutschen Artenschützer vor einige Schwierigkeiten stellen.
Im Detail muß ich den Ausführungen in weiteren Punkten widersprechen:

4.) Norddeutsche Meerforellen sind nicht degeneriert!
Die untersuchten Genproben der Meerforellen aus dem Unterelbegebiet wurden der Universität Heidelberg von hegenden Sportfischern freiwillig zur Verfügung gestellt und wiesen laut deren Mitteilung keine Anomalitäten auf. Alle Werte lagen im erwarteten Bereich. Es entbehrt also jeder wissenschaftlichen Grundlage, an die Untersuchung weitergehende Spekulationen zu knüpfen, zumal bei einer so geringen Zahl untersuchter Fische ohnehin jeder Versuch der Verallgemeinerung sehr fragwürdig bleiben muß. Das räumte übrigens auch die Universität Heidelberg bereits im Vorfeld und erneut bei der Mitteilung der Ergebnisse ein.
Aber wie will man dann in AIbaum aus ungefähr 10 untersuchten adulten Meerforellen des Rheingebiets valide Aussagen zur Populationsgenetik gewonnen haben? Will man sich lächerlich machen?
Auch aus Norddeutschland sind nur Blutproben von ungefähr 100 Meerforellen genommen worden, keine von Bachforellen. (!) Ergebnisse aus Blutproben sind bei genetischen Untersuchungen weniger zuverlässig als Gewebeproben. Wären die Universität Heidelberg und die norddeutschen Heger nicht nach der Laichzeit, sondern davor in Kontakt gekommen, hätten Tausende juveniler und adulter Fische auf der Basis von Gewebeproben untersucht werden können. Für einen Vergleich mit dem Rhein-gebiet hätte es dennoch höchstens bei Bachforellen gereicht, da die Meerforelle dort, wie bereits erwähnt, derzeit nicht in vergleichbaren Größenordnungen vorhanden ist.
Wenn die vorliegende Untersuchung also überhaupt valide Aussagen ergeben hat, dann die, dass geringfügige genetische Distanzen zwischen den Forellenstämmen des Rheins und denen der Unterelbe bestehen. Das ist nicht erstaunlich, sondern war zu erwarten. Auch vor verallgemeinernden Rückschlüssen bezüglich der genetischen Bandbreite von künstlich vermehrten Forellen aus dem Rheingebiet kann ich wegen der geringen Zahl von untersuchten Brütlingen nur warnen. Es könnten ja alles Geschwister sein! Als Wissenschaftler müßte Prof. Lehmann doch eigentlich wissen, daß Verallgemeinerungsversuche auf einer so schmalen Basis zumindest zweifelhaft sind!

5.) Die unterstellte einseitige Förderung anadromer Forellen in Norddeutschland gibt es nicht!
Nahezu überall, wo in Norddeutschland Salmonidenbestandspflege stattfindet, wird auch die Bachforelle als stationäre Form in entsprechender Relation und Intensität gehegt, jedenfalls, wo sie heimisch ist.
Es ist also kein natürlicher Genfluß mutwillig unterbrochen, da man davon ausgehen kann, daß Übergangsformen zwischen beiden Typen bei der künstlichen Vermehrung durchaus beiden Formen zugeordnet werden.
Es gab und gibt jedoch nicht in allen Großsalmonidengewässern stationäre Forellen. So wurden beispielsweise in die Große Süderbäke (LK Ammerland, Nds.), in der wegen der geringen Größe der Salmonidenregion und stark schwankender Sommerwasserführung auch füher stationäre Forellen nicht vorhanden waren, dagegen viele Lachse ( und mithin wohl zwangsläufig Meerforellen, da diese in allen Lachsgewässern vorkommen), seit 1991 neben Lachsbrut etwa 40.000 MF - Brütlinge aus der Oste eingesetzt. In der Oste gibt es auch Bachforellen, also auch zwangsläufig die Möglichkeit eines gewissen Genflusses zwischen den Rassen. Unter vielen hundert heranwachsenden Meerforellen der Süderbäke wurden im Laufe der Jahre bei E-Befischungen weniger als 10 bachforellenähnliche Fische mit einem Alter von mehr als 2 Jahren festgestellt. (Beobachtung des Verf., E- Befischungsprotokolle
von D.Ammen, Gewässerwart des SFV Apen)
Dies läßt zwar auf einen gewissen Genfluß zwischen stationären und anadromen Forellen der Oste schließen, jedoch auf keinen starken, was wiederum bei dem in Norddeutschland vorherrschenden Meerforellentyp auch so zu erwarten war (s. u.).
Doch selbst wenn in Norddeutschland das unterstellte Zuchtziel der rein anadromen Forelle verfolgt würde, wäre jegliche Zuchtauswahl kontraproduktiv. Reinerbige stationäre Salmoniden gibt es nämlich nur, wo über viele Generationen hinweg den anadromen Formen der Rückweg in die Laichgebiete abgeschnitten war. Dies deutet darauf hin, daß möglicherweise Standorttreue rezessiv, Wanderwilligkeit dominant vererbt wird. Man kann auch vereinfacht sagen, daß bei anhaltender Inzucht eher stationäre Formen als anadrome zu erwarten sind.
Die norddeutschen Heger wissen das sehr gut, und würden sich hüten, der Natur so albern in den "Genfluss" hineinzupfuschen!

Fortsetzung folgt nach der nächsten Fischwaid 6/2000
Quelle: AFZ-FISCHWAID 5/2000 o Verband Deutscher Sportfischer e. V

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