Beitrag bewerten Abmelden | Themen | Suche
Moderatoren | Registrieren | Profil

Bewerten Sie den Beitrag mit Hilfe der folgenden Punkte: 1 = sehr schlecht, 5 = sehr gut

    (am Schlechtesten)    1    2    3    4    5     (am Besten)

Autor Beitrag
Zum obersten Beitrag.Zum vorigen Beitrag.Zum nächsten Beitrag.Zum unterstem Beitrag. Der URL dieses Beitrages.

Beko

Bewertung: -
Abstimmungen: 0

Veröffentlicht am Donnerstag, den 02. November, 2000 - 11:02:   

Quelle:
Rundschau / Kocherbote, Gaildorf 27.02.1999
Leitartikel
HANS GEORG FRANK:
Die Rache der Natur
Günter Grass machte sich seine Gedanken über die Gefahr der Gewässer:" Oft stehen wir vor dem Pegel und vergleichen unsere Besorgnis wie Uhren." Das war 1956. Seither hat sich kaum etwas geändert. Die zerstörerische Kraft von Hochwasser - keine andere Naturgewalt richtet weltweit solch großen Sachschäden an - wird immer noch leichtfertig unterschätzt. Unbelehrbar wüten wir wir weiter mit Beton und Asphalt in Talauen, dehnen grenzenlos Siedlungen und Fabriken aus.
"Jahrhunderthochwasser" gab es allein seit 1978 sieben Mal, zuletzt 1995. Alleine die Ereignisse der Jahre 1993 und 1995 verursachten Schäden in Höhe von mehreren Milliarden Mark. Jetzt droht wieder eine Jahrhundertflut. Mit seiner Bedeutung hat das Wort seinen Schrecken verloren, mindestens bei den Leuten die auf dem Trockenen sitzen, vielleicht auch bei jenen Bürokraten die vom sicheren Schreibtisch aus über Abwehrmaßnahmen entscheiden sollen. Doch selbst ebenso spektakuläre wie milliardenteure Flutflops wie der abgesoffene "Schürmann-Bau" neben dem Bundestag in Bonn werden eher achselzuckend zur Kenntnis genommen.
Hochwasser ist kein Teufelswerk. Hochwasser ist zwar ein unvermeidbares Naturereignis. Aber die Schäden resultieren aus menschlichen Unverstand, sind Folgen von rücksichtlosen Eingriffen in die Natur: Entwaldung, dichte Besiedlung, versiegelter Boden, naturferne Landwirtschaft. Flüsse werden begradigt, kanalisiert, verkommen zu Betonrinnen. Ursprüngliche Überflutungsflächen gehen verloren, die Bebauung rückt immer näher ans Ufer. Besonders augenfällig wird dies am Rhein, wo die Wassermassen für die Strecke Basel - Karlsruhe heute weniger als 30 Stunden benötigen, 1955 floss der Fluss nicht halb so schnell. Der Pegel Worms registrierte in den vergangenen 20 Jahren mehr Spitzenhochwässer als in den 170 Jahren zuvor. 85 Prozent der natürlichen Überschwemmungsgebiete gingen dem Rhein verloren.
Bis zum Jahr2020 müssen für einen "Aktionsplan Hochwasser" 23 Milliarden Mark ausgegeben werden, um in hochwassergefährdeten Gebieten zwischen Weil und Rotterdam Vermögenswerte von drei Billionen Mark zu schützen, die dort zum größten Teil gar nicht hingehören. Dabei werden vor allem Deiche verstärkt und erhöht, anstatt sie zurückzusetzen.
Was am Rhein in großem Stil geschieht, lässt sich auch in kleinerem Maßstab an fast allen Bächen beobachten. Auen die für unsere Vorfahren tabu waren, werden dem Wachstumswahn von Bürgermeistern geopfert, die dort unbedingt ein neues Baugebiet für ihre Gemeinde ausweisen möchten. Technikfanatismus verleitet noch dazu. Der Irrglaube, mit Hightech und notfalls teuren Investitionen alles beherrschen zu können, verführt zu Leichtsinn.
Hochwasserschutz ist eine nur solidarisch zu lösende Zukunftsaufgabe. Doch vielfach triumphiert das Prinzip Sankt Florian. Der Bau von Rückhaltebecken, die Anlage von Poldern oder die dringend notwendige Renaturierung scheitert oft am Widerstand von Grundbesitzern. Verzicht bleibt ebenso ein Fremdwort wie Einsicht und Einschränkung.
Die Mahnung des Vordenkers Grass von 1956 bleibt deshalb aktuell: " Manches lässt sich regulieren, doch wenn die Behälter überlaufen, das ererbte Maß voll ist, dann werden wir beten müssen."

Themen | Letzter Tag | Letzte Woche | Verzeichnis | Suche | Benutzerliste | Hilfe/Anleitungen | Lizenz Admin