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Veröffentlicht am Sonntag, den 08. April, 2001 - 16:20:   

Bad Oldesloer Anglerverein setzt junge Meerforellen in Bächen aus


Wildes getümmel am Travegrund


Der Mann kämpft sich durchs Unterholz. Immer wieder versinkt er mit seinen Stiefeln im tiefen Morast. Die Tüten in der Hand werden langsam schwer. Aber die Mühe ist es wert. Einhunderttausend Meerforellen sind schließlich kein Pappenstiel. Über zwei Stunden ist er mit der kostbaren Ware schon unterwegs. Endlich erreicht er die vereinbarte Lichtung am Fluss. Zwei Kollegen vom Bad 0ldesloer Anglerverein warten bereits auf ihn:
,,Wie viele sind es diesmal, Volker?" ,,Hunderttausend!" Stolz hält er die Tüten hoch. ,,Für dieses Jahr haben wir vorgesorgt." Am Uferrand hockend, öffnet Volker vorsichtig einen der Beutel und hält die Öffnung in den seicht fließenden Bach.
Kaum strömt das Wasser ein, kommt Leben in die Tüte: Zehntausende kleine Meerforellen zappeln wie ein Haufen Kaulquappen in die Freiheit. Als wollten sie sich verabschieden, stupsen einige von ihnen noch einmal gegen Volkers Gummistiefel, bevor sie sich im gelblichen Wasser davonmachen.
Zwei Tage später ist Volker Hahn immer noch begeistert: ,,Nun mache ich das schon seit 16 Jahren und trotzdem ist es immer wieder ein toller Moment, wenn sie sich plötzlich im Wasser tummeln."
Jedes Frühjahr besetzt der 41-jährige Gewässerwart des Bad Oldesloer Anglervereins von 1935 die manchmal nur einen Fußsprung breiten Seitenbäche der Trave. Die Brütlinge aus der Fischzuchtanstalt Alt Mühlendorf bei Nortorf (Rendsburg-Eckernförde) werden über vierzehn verschiedene Bachstrecken verteilt, um so zu verhindern, dass beispielsweise bei einem Gülle-Unfall alle einhunderttausend Fische sterben. Diese zeitaufwändige Arbeit und die Pflege der 30 Kilometer Flussstrecke einschließlich
der Nebenarme ist nur mit Unterstützung der 610 Vereinskollegen zu schaffen.

Die Vereinsarbeit an der Trave ist kein Einzelfall: ,,Weit über eine Million Meerforellen werden in den kommenden Wochen von unseren Angelvereinen an über 30 Flüssen in ganz Schleswig-Holstein ausgesetzt, erklärt Dr. Dieter Bohn, Geschäftsführer des Landessportfischerverbandes Schleswig-Holstein in Kiel. Hinzu kommen noch Besatzmaßnahmen von anderen Arbeitsgemeinschaften und Vereinen, die dem Verband nicht angeschlossen sind.

Insgesamt werden jährlich zwischen 1,8 und 2,5 Millionen Meerforellen Brütlinge in 61 Bächen Schleswig-Holsteins ausgesetzt. Aber wer sich das Gewimmel in den Bächen ansehen will, muss seine Nase fast schon ins Wasser tauchen - sonst wären die Fische, die sich unter einem Pfennigstück verstecken könnten, nicht zu entdecken. Selbst wenn sie in einigen Jahren über einen halben Meter lang sind, werden Spaziergänger an Trave oder Stör sie kaum sehen. Denn die großen Forellen leben im Verborgenen und sind zudem auch nur ein halbes Jahr da. Der Name Meerforelle verrät, dass diese Fischart sich wie der Lachs die meiste Zeit ihres Lebens im Meer aufhält und erst im Spätsommer und Herbst aus Ost- und Nordsee zum Laichen in die Oberläufe der Flüsse wandert. Hier leben die Meerforellen versteckt im Wasser unter Uferaushöhlungen, Krautbüscheln oder unter Baumwurzeln, die ins Wasser ragen.

Auf ihrer Wanderung zu den Laichplätzen müssen die Forellen im Fluss oft meterhohe Wehre überwinden - das ist der beste Platz, um Zeuge eines einmaligen Schauspiels zu werden: meterhoch fliegende Forellen. Mit beeindruckend kräftigen Schwanzschlägen schießen die Fische in voller Länge aus dem Wasser und versuchen die Oberkante des Wehrs zu erreichen. Die Szenerie gleicht den Bildern aus Kanada, wo Lachse meterhohe Wasserfälle hochspringen - nur ist die Anzahl der Fische kleiner, und die jagenden Grizzly Bären fehlen.
,,Wenn es im Sommer mal richtig schüttet und der Fluss einen Hochwasserschub bekommt, geht an den Wehren die Post ab.
Dann sieht man die Meerforellen im Minutentakt springen", erzählt Michael Werner, der Chefredakteur des Angelfachmagazins ,,Fliegenfischen" aus Hamburg.
Natürlich träumt jeder Angler davon, mal einen dieser metergroßen Fische an den Haken zu bekommen. Doch wer glaubt, dass die Angler in Schleswig-Holstein nur ans Angeln denken, irrt. Seit vielen Jahren kämpfen 27 Angelvereine an Trave, Schwartau, Stör, Schwentine, Mühlenau, Lecker Au und anderen Bächen dafür, dass die bereits auf der Roten Liste geführte Meerforelle in Schleswig-Holstein nicht ausstirbt. Ohne diese Unterstützung hätte die Meerforelle bis heute wahrscheinlich nicht überlebt. Die Begradigung und Verbauung der Flüsse der letzten Jahrzehnte hatte bereits dazu beigetragen, dass in Schleswig-Holstein vier Fischarten vom Aussterben bedroht sind, darunter auch der Lachs. Fünf Fischarten sind hier bereits ausgestorben, beispielsweise auch der Kaviar liefernde Europäische Stör.
Um der Meerforelle und anderen bedrohten Fischen eine Zukunft zu geben, legen die ehrenamtlich arbeitenden Mitglieder der Angelvereine Kiesbänke in den Flüssen an, statten Wehre mit Fischtreppen aus, damit Meerforelle, Lachs & Co. wieder - wie vor dem Bau des Hindernisses - zu ihren Laichplätzen kommen können, und unterstützen den natürlichen Nachwuchs mit dem Besatz von Jungfischen.
,,Unser oberstes Ziel ist, dass sich die Meerforellen irgendwann allein vermehren können", so Volker Hahn vom Oldesloer Anglerverein. Die Chancen dafür stehen gut. Nach den im Dezember 2000 von der Europäischen Union festgelegten Wasserrahmen-Richtlinien müssen innerhalb der nächsten 15 Jahre alle Flüsse so weit wie möglich renaturiert und für wandernde Fische durchgängig gemacht werden.

Quelle: Lübecker Nachrichten vom 6 April, Autorin Meike Tonn

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