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Beko
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Benutzername: Beko

Nummer des Beitrags: 2228
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Veröffentlicht am Montag, den 20. Mai, 2002 - 10:30:   

Ministerium für Umwelt, Natur und Forsten des Landes Schleswig -Holstein

Karpfenteiche ohne Karpfen?

Seit dem Mittelalter gibt es Karpfenteichgebiete in Europa. In manchen Ländern prägen sie weite Landschaften. so in Franken und in Tschechien. Natürlich sind sie in erster Linie zur Versorgung der Menschen angelegt worden. Aber auch zahlreiche Tier- und Pflanzenarten. die ihre Lebensräume in Sümpfen und Flussauen verloren hatten, fanden in den neu geschaffenen Fischteichen Ersatzlebensräume.

Bis heute tragen Karpfenteichwirtschaften zur Vielfalt der Lebensräume und der Arten in der Kulturlandschaft bei. Zweifellos hat die Teichwirtschaft in der Vergangenheit auch die Ausbreitung verschiedener Wasservogelarten gefördert. Darüber hinaus können Karpfenteiche bedeutsame Lebensräume für Amphibien und natürlich viele wirbellose Tierarten sein.

Wesentlichen Anteil an der ökologischen Bedeutung der Karpfenteichgebiete hat deren
strukturelle Vielfalt. Selbst innerhalb eines zusammenhängenden Teichgebiets unterscheiden sich die Teiche in Gestalt. Entwicklungszustand oder Produktivität. Die vielfältige Lebewelt dieser Gewässer hängt aber davon ab. dass die Teiche naturnah bewirtschaftet werden. Das heißt im wesentlichen. dass sie im zeitigen Frühjahr aufgestaut und im Herbst abgelassen werden und dass die Karpfen sich von dem ernähren, was das Gewässer ihnen bietet. Eingriffe in den Röhrichtgürtel und den Gewässerboden unterbleiben, zumindest für lange Zeiträume.. Fine solche traditionell angepasste nachhaltige Nutzung erhält langfristig ein ökologisch vielfältiges Gewässer. Intensivere Nutzungen führen hingegen zum Verlust an Lebensraum- und Artenvielfalt und letztlich zu naturfernen Fischhaltebecken. Im folgenden soll deshalb nur von der naturnahen Teichnutzung die Rede sein, die an vielen Gewässern. besonders in Ostholstein. betrieben wird. Sie zu erhalten, ist für den Schutz der Natur im allgemeinen günstig, kann aber wirtschaftlich problematisch sein. Wo dies eintritt, sollte auch eine Nutzung der Teiche ausschließlich für Naturschutzzwecke erwogen werden. Es gibt schon seit einigen Jahren mehrere Gewässer. an denen dieses Ziel verfolgt wird. Das Prinzip besteht darin, sie wie bisher im Herbst abzulassen und im Frühjahr wieder zu bespannen, jedoch auf Fischbesatz zu verzichten.

Die Auswirkungen sind wohl am besten im NSG Lebrader Teiche Kreis Plön untersucht und dokumentiert worden. Schon im 17. Jahrhundert staute das Gut Rixdorf eine Niederung auf, um Karpfen zu halten. Das entstandene, 1912 durch einen Straßendamm zweigeteilte Gewässer wurde 1938 wegen seiner Bedeutung als ,,Vogelfreistätte“ als Naturschutzgebiet
ausgewiesen. Nachdem die Karpfenmast 1995 aufgegeben worden war, pachtete die in Plön ansässige Marios –Böger -Stiftung die Teiche. 70 ha umfasst deren freie Wasserfläche. Seit
1996 werden die Teiche nicht mehr mit Fischen besetzt, im übrigen die Bewirtschaftungspraxis aber im wesentlichen beibehalten. Was hat sich seitdem verändert?

Zunächst einmal ist auffallend, dass das Wasser auch im Sommer klar genug ist, um bis zum Grund sehen zu können. Das war nicht der Fall. als noch Karpfen das Sediment aufwühlten. Mit der Ruhe im Gewässerboden war auch eine Voraussetzung dafür gegeben. dass mehr Wasserpflanzen wurzeln und wachsen können. Teichfaden und Wasserhahnenfußarten haben sich in der Folge stark ausgebreitet. Sie strukturieren den Wasserkörper nun viel stärker als vorher. Das kommt einer Vielzahl von kleinen. wirbellosen Tieren zugute. Ihr Wohnquartier hat sich sozusagen von einer Fabrikhalle in eine Wohnanlage mit vielen Wohnungen verwandelt. Das höhere Angebot an Wasserpflanzen und Kleintieren wiederum fördert die Vorkommen von Wasservögeln. Letztlich profitieren sie das on. dass sie nicht mehr mit Karpfen um die Nahrung konkurrieren müssen.

Wenn die Teiche im Herbst abgelassen werden. überleben nur wenige Fische die Trockenperiode bis zum Frühjahr. Vor allem sind es Zwergstichlinge. die bis zum Herbst wieder große Bestände erreichen können. Im Frühjahr sind aber auch sie noch wenig zahlreich. Zu dieser Zeit vermehrt sich zunächst das pflanzliche Plankton, (Grün- und Kieselalgen). Wasserflöhe und andere Planktontiere, die diese Algen verzehren, entwickeln sich ebenfalls schnell. Hungrige Fische würden sich auf die größten Wasserflöhe konzentrieren, die das Wasser am wirksamsten von Algen befreien. Weil die Zahl der Fische aber gering ist, bleiben die Wasserflöhe beim Klären des Wassers weit gehend ungestört. Auch auf diese Weise trägt die Verminderung des Fischbesatzes also dazu bei. dass sich die beschriebenen Veränderungen einstellen.

Karpfen fressen neben dem Zooplankton aber auch Schnecken, kleine Muscheln. die Larven von Wasserinsekten und anderes, das sie aus dem Gewässerboden herauswühlen. Damit
sind sie direkte Nahrungskonkurrenten verschiedener Wasservögel: Reiherenten, Schellenten und Blässrallen z.B. ernähren sich großenteils von Muscheln und Schnecken. die Taucherarten neben Kleinfischen von großen Wasserinsekten und die Löffelenten von Zooplankton. Indirekte Nahrungskonkurrenz entsteht dadurch. dass Karpfen den Aufwuchs an Wasserpflanzen vermindern, sodass sich weniger Nahrung für Schwäne, Gänse, Schnatter-, Kolben- und Tafelente entwickeln kann.

Alle diese Wechselwirkungen führen dazu, dass sich die Bestände vieler Wasservogelarten erheblich besser entwickeln, seitdem sie nicht mehr mir eingesetzten Karpfen konkurrieren müssen. Das zeigt sich zum einen in der Mauserzeit. Wenn die Vögel für einige Wochen flugunfähig sind, müssen sie sich darauf verlassen können, dass ihnen ihr Mausergewässer ausreichend Nahrung für den Aufbau des neuen Gefieders bereitstellt. Das scheint nun besser als früher gewährleistet zu sein, denn der Bestand an mausernden Höckerschwänen stieg nach den Beobachtungen des Diplombiologen Bernd Koop 1999 auf 120 Vögel und umfasst damit nach dem Plöner See das größte Mauservorkommen im schleswig-holsteinischen Binnenland. Für Schnatterenten, von denen hier 2000 mauserten. sind die Lebrader Teiche gar das mit Abstand wichtigste Mausergewässer Norddeutschlands. Auch von anderen Entenvögeln und Lappentauchern haben die Maaserbestände zugenommen, seitdem die Teiche nicht mehr mit Fischen besetzt werden. Insgesamt können sich hier über 5000 Wasservögel gleichzeitig ernähren - mehr als 700 auf 10 ha!
Deutliche Veränderungen hat es aber auch in den Brutbeständen und vor allem im Bruterfolg verschiedener Wasservogelarten gegeben. Besonders Rothals-. Schwarzhals- und Zwergtaucher entwickelten hohe Bestände. Im Vergleich zu Teichen mit Karpfenbesatz hatten sie hervorragende Bruterfolge. Beim Rothalstaucher waren sie 3- 5 mal höher als auf Teichen mit Fischbesatz. Untersuchungen an anderen Gewässern, auch außerhalb Schleswig-Holsteins zeigten ähnliche Entwicklungen. Sie legen die Annahme nahe, dass das Konzept .,Karpfenteichbewirtschaftang ohne Karpfen“ zum Schutz der Natur auch andernorts verfolgt werden könnte, wo sich eine naturnahe Karpfenhaltung aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr lohnt.


Quelle:
Jäger und Fischer 3/ 2002

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